Soziales Kapital in der frühen Kindheit

Die Kita ist einer der wenigen Orte, an denen schicht- und kulturübergreifende Kontakte natürlich entstehen können, z.B. beim Sommerfest unserer Kinderkrippe MIRA (Foto: Paula Stämmele)

Gibt es schichtspezifische Unterschiede beim sozialen Kapital von Kindern im Jahr vor der Einschulung und welche Bedeutung hat es für die Bildungsorientierungen von Kindern? - Diese zentralen Fragen stellt sich Julia Schimmer im Rahmen ihrer Promotion am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Mainz.

Julia Schimmer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des ISKA, Trägervertreterin für die ISKA-Kitas und Prokuristin der ISKA gGmbH. Die Promotion wird zwar außerhalb der Arbeitszeit am ISKA durchgeführt, ist fachlich aber eingebunden in die vielfältigen Projekte zum Thema Bildungsgerechtigkeit am ISKA. Ein Teil der Erhebungen fand in ISKA-Kitas statt. Zwischenergebnisse werden regelmäßig in der ISKA-internen AG Bildungsgerechtigkeit diskutiert.

Forschungsfragen

In ihrer Dissertation interessiert sich Julia Schimmer für die Bedeutung außerfamiliärer Kontakte bei der Reproduktion von Bildungsungleichheit. Mit der Studie sollen folgende Forschungsfragen beantwortet werden:

Gibt es im Jahr vor der Einschulung schichtspezifische Unterschiede…

  • bei den sozialen Kontakten (Peers und Erwachsene) von Kindern außerhalb der Kernfamilie?
  • bei den Peerkontakten in der Kindergartengruppe?
  • bei den Kontakten zwischen den Eltern der Kindergartengruppe?
  • bei den Beziehungen von Eltern bzw. Kind und Fachkraft?
  • in den Bildungsorientierungen von Eltern und Kindern?

Befragung von Kindern, Eltern und Fachkräften

In diesem Kontext führte Julia Schimmer persönliche, halbstandardisierte Interviews mit 100 Vorschulkindern. Eltern und Kita-Fachkräfte wurden ebenfalls durch Leitfadeninterviews, standardisierte persönliche Befragungen und schriftliche Befragungen einbezogen.

Forschungslücke in der Erziehungswissenschaft

Erziehungswissenschaftliche Ungleichheitsforschung hat einen besonderen Fokus auf die Kernfamilie. Studien, welche die Bedeutung des außerfamiliären sozialen Kapitals, also der Ressourcen im sozialen Netzwerk von Kindern und Jugendlichen beleuchten, sind hingegen rar. Das trifft insbesondere auf die frühe Kindheit zu. Die Dissertation setzt an dieser Forschungslücke an.

Soziales Kapital in der frühen Kindheit

Ressourcen im außerfamiliären Netzwerk können gerade für Bildungsaufsteiger/innen essenziell wichtig sein. Personen mit hoher kultureller Kapitalausstattung, also z.B. hohen formalen Bildungsabschlüssen, können Kompetenzen bei Kindern fördern, bei Lernprozessen unterstützen oder als Role Model dienen, indem sie z.B. Begeisterungsfähigkeit für bestimmte Themen vermitteln. Sie können durch ihre Erwartungen und ihre Bildungsaspirationen die Lernleistungen, die Aspirationen und die Bildungsentscheidungen der Heranwachsenden beinflussen. Zudem können sie den Eltern hilfreiche Informationen zum Bildungssystem oder den Bildungsinstitutionen zur Verfügung stellen.

Außerfamiliäre Netzwerke unterstützen die Chancengleichheit

Für Kinder mit geringer familialer Kapitalausstattung können Personen im außerfamiliären Netzwerk also bildungsförderliche Ressourcen zur Verfügung stellen, die für den formalen Bildungskontext essenziell sind. Außerfamiliäre Netzwerke nehmen daher eine Schlüsselrolle ein bei der Reduktion von Chancenungleichheit im Bildungssystem. Genau mit diesem Potential des außerfamiliären Kapitals setzt sich Julia Schimmer inneralb der Dissertation auseinander.

Veröffentlichungen

Schimmer, J. (2022): Schichtspezifische Bildungsorientierungen von Kindern im Jahr vor der Einschulung. ZSE Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 42(2), 183-200.

Schimmer, J. (2023): Dass ich keine Freunde hab und dass ich mit keinem spiel" - Vorfreude und Ängste von Vorschulkindern mit Blick auf Einschulung und Schule. Perspektiven der empirischen Kinder- und Jugendforschung, 9(2), 22-35.

Schimmer, J. (2024, zur Veröffentlichung angenommen): Soziales Kapital im Jahr vor der Einschulung.
Herkunftsspezifische Netzwerke außerhalb der Kernfamilie. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung.