Benachteiligung im Grundschulalter

Bereits im frühkindlichen Alter messbare Kompetenz- und Wissensunterschiede verstärken sich im Laufe der Grundschulzeit.


Häufigerer Besuch von Förderschulen, seltenerer Besuch von Schulen mit besonderem pädagogischen Konzept

Weit über 90% aller Kinder besuchen eine reguläre Grundschule. Einige Schüler werden aber im Primarbereich auch in anderen Schulformen unterrichtet. Die Daten des DJI-Kinderpanel zeigen, dass in Förderschulen

  • 3% der Kinder aus dem bildungs- und finanzarmen Milieu 1, aber nur
  • 1% der Kinder aus dem bildungs- und finanzstarken Milieu 4 unterrichtet werden (Betz, 2008, S. 241).

Das ist umso bedeutender, als dass fast drei Viertel der Jugendlichen, die die Förderschule verlassen, keinen allgemeinbildenden Schulabschluss erwerben (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2014, S. 9 ).

Ganz anders sieht es beim Besuch von Schulen mit besonderem Konzept wie Montessori oder Waldorf aus:

  • 7% der Kinder aus Milieu 4 aber
  • 0% der Kinder aus Milieu 1 kommen in den Genuss dieser besonderen Schulangebote (Betz, 2008, S. 241).

Negativere Einstellungen zu Schule und Lernen

Betz untersuchte hinsichtlich der vier vordefinierten Milieus auch Einstellungen der Schüler und Mütter zur Schule. Kinder aus dem Milieu 1 haben im Vergleich zu Kindern aus dem Milieu 4

  • mehr Angst, Fehler zu machen (61% vs. 39%),
  • häufiger das Gefühl, dass sie mehr lernen müssen als andere (45% vs. 17%)
  • nach eigenen Aussagen häufiger Probleme, im Unterricht mitzukommen (34% vs. 14%) (Betz, 2008, S. 285ff.).

28% der Mütter aus Milieu 1, aber nur 14% der Mütter aus Milieu 4 bestätigen Schulprobleme (Betz, 2008, S. 251). Mütter aus Milieu 1 sind dementsprechend auch deutlich häufiger unzufrieden mit den Leistungen ihrer Kinder als die Mütter der anderen Milieus (Betz, 2008, S. 266).


Geringere Nutzung außerschulischer Freizeit- und Bildungsangebote

Analysen des DJI-Kinderpanels von Betz belegen vielfältige Unterschiede in der Freizeitgestaltung von 8-9-jährigen Kindern unterschiedlicher Milieus. Demnach treiben Kinder in Milieus mit niedrigem Bildungskapital und geringen finanziellen Ressourcen seltener Sport, gehen seltener ins Kino oder ins Theater und besuchen seltener eine Musikschule (Betz, 2008, S. 278).

Von den vier Milieus, die von Betz beschrieben werden, wird im Folgenden wieder das kapitalärmste Milieu 1 mit dem bildungs-und finanzstarken Milieu 4 verglichen:

  • 78% der Kinder aus Milieu 4 sind in Vereinen aktiv, während es nur 34% der Kinder des Milieus 1 sind.
  • 53% der Kinder aus Milieu 4 erhalten außerschulische Unterrichtsstunden, aber nur 14% aus dem Milieu 1  (Betz, 2008, S. 280ff.).

Dagegen verbringen Kinder aus den ressourcenschwachen Familien häufiger ihre Freizeit auf den Spielplatz oder in Einkaufszentren (Betz, 2008, S. 278). Auch der Fernsehkonsum liegt bei diesen Kindern höher als bei Familien mit höherem kulturellen und finanziellen Kapital (Kuchenbuch, 2003, S. 5).

Vergleichsweise verbringen diese Kinder ihre Freizeit somit stärker in unorganisierten und unbegleiteten Settings. Betz kommt daher zu dem Schluss, dass Kinder aus unterschiedlichen Milieus systematisch unterschiedliches kulturelles Kapital in der Freizeit erwerben. Dies hat dann wieder nachweisbare bildungsrelevante Folgen (Betz, 2008, S. 283-284).

Geringere familiäre Unterstützung

Die große Mehrheit aller Kinder werden beim Hausaufgaben machen von den Eltern unterstützt. Allerdings zeigt sich, dass 12% der Kinder vom ressourcenschwachen Milieu 1 nicht mit der Unterstützung der Eltern rechnen können. Im finanz- und bildungsstarken Milieu 4 werden dagegen alle Kinder von ihren Eltern unterstützt (Betz, 2008, S. 266).

Gleichzeitig führen die Mütter vom Milieu 1 seltener Gespräche mit den Lehrern, besuchen seltener die Elternabende und zeigen weniger Engagement in der Schule. Das Engagement der Eltern hat aber bildungsrelevante Konsequenzen für die Kinder, da es Belege dafür gibt, dass Schulnähe bzw. schulkonformes Verhalten der Eltern von den Lehrkräften honoriert wird (Betz, 2008, S. 291-292).

Seltener ein eigenes Zimmer

Hinzu kommt, dass nur 48% der Kinder aus dem finanz- und bildungschsschwachen Milieu 1 ein eigenes Zimmer besitzen. Dagegen sind es 80% aus dem ressourcenstarken Milieu 4 (Betz, 2008, S. 233). Das weist nicht nur daraufhin, dass weniger materielle Ressourcen in der Familie zur Verfügung stehen, sondern auch, dass ungestörtes Lernen erschwert wird (Betz, 2008, S. 291-247).

Ähnlich wie für den Elementarbeich dargestellt, zeigt sich auch für Kinder im Grundschulalter, dass besonders diejenigen, die sowieso schon gute Leistungen in der Schule erzielen, durch ihr Freizeitverhalten und die überdurchschnittliche Unterstützung der Eltern weiter gefördert werden. Die Autorin Betz schreibt treffend: "Die kulturellen Praktiken der Kinder in informellen Kontexten und die Anforderungen im formalen System Schule greifen ineinander" (Betz, 2008, S. 297). Kinder aus ärmeren und bildungsfernen Haushalten erleben dagegen seltener eine anregende Freizeitgestaltung und Unterstützungsleistungen der Eltern, obwohl sie  dieses besonders benötigen.