Methodik

Julia Schimmer und Übersetzer Mehdi Abel bei der Befragung (Foto: Tanja Elm)

Wir haben 277 Flüchtlinge insgesamt rund 80 Stunden lang über ihre Kompetenzen befragt. Interviewer- und Übersetzer/innen besuchten dazu 13 Gemeinschaftsunterkünfte.

Zweiseitiger Fragebogen

Als Instrument für die Befragung diente ein zweiseitiger, weitgehend standardisierter und übersetzter Fragebogen, der zwischen Februar und Juli 2016 entwickelt wurde.

In der Gesprächssituation wurden geschlossene ("Haben Sie einen Beruf in Ihrem Herkunftsland ausgeübt?") und offene Fragen ("Welchen Beruf haben Sie ausgeübt?") gestellt. Der Interviewer bzw. die Interviewerin erfasste die Antworten entweder gleich mit standardisierten Kategorien oder notierte sie zur späteren Kategorisierung so genau wie möglich. Die Datenerfassung erfolgte in der Regel elektronisch.

Zur Abfrage des Aufenthaltsstatus haben wir den Flüchtlingen ein Dokument vorgelegt, auf dem unterschiedliche Ausweise abgebildet sind. Viele der Geflüchteten wissen nicht ad hoc, welchen Status sie besitzen. Durch das Muster konnten wir vermeiden, dass die Geflüchteten eigene Ausweisdokumente zeigen. Dies war aus Anonymitätsgründen nicht gewünscht.

Befragungssituation und -instrument wurden im Mai 2016 von Lara Pobitzer im Rahmen ihrer Bachelorarbeit (Soziale Arbeit) getestet und auf Grundlage dieser Erfahrungen weiter optimiert.

Persönliche Befragung auf arabisch, farsi und russisch

Die Befragung fand Ende August bis Mitte September 2016 statt. In Absprache mit den jeweiligen Sozialdiensten wurden Befragungstermine in den Gemeinschaftsunterkünften festgelegt. Die Bewohnerinnen und Bewohner wurden dann mit übersetzten Aushängen auf die Befragung hingewiesen. Einige Sozialdienste informierten auch persönlich.

An den Befragungsgesprächen nahmen jeweils ein Interviewer oder eine Interviewerin aus der Forschungsgruppe sowie ein Übersetzer oder eine Übersetzerin teil. Wir entschieden uns für diese aufwändige Erhebungssituation aufgrund der Erfahrung anderer Forschungsgruppen. Diese berichteten, dass eine rein schriftliche Befragung von Flüchtlingen nur unvollständige und ungenaue Ergebnisse liefert.

In der Regel wurden die Interviews mit geschlechtsgemischten Interviewpaaren geführt, z.B. weibliche Interviewerin mit männlichen Übersetzer. Wir wollten sicherstellen, dass insbesondere die Frauen keine Scheu haben, mit uns zu sprechen.

Der Fragebogen wurde im Vorfeld schriftlich auf arabisch, farsi und russisch übersetzt. Dabei wurde mit den Übersetzer/innen sorgfältig diskutiert, um zu große Bedeutungsunterschiede zu vermeiden. Die zwei Übersetzer und die drei Übersetzerinnen wurden in einer Schulung auf die Interviewsituation vorbereitet.

Die 277 Gespräche dauerten jeweils 10-15 Minuten. Organisatorische Widrigkeiten und Wartezeiten verlängerten die Erhebungszeit. Insgesamt wurden die Daten in rund 80 Stunden erhoben.

Auswertung anhand der "Klassifikation der Berufe"

Die Klassifikation der Berufe (KldB) wurde von der Bundesagentur für Arbeit entwickelt. In ihr werden Berufe anhand ihrer berufsfachlichen Ähnlichkeit kategorisiert. Die verwendete Version stammt aus dem Jahr 2010.

Auf der obersten Gliederungsebene werden 10 "Berufsbereiche" unterschieden wie z.B. "Bau, Architektur und Gebäudevermessung".

Die Berufsbereiche werden wiederum in insgesamt 36 "Berufshauptgruppen" unterteilt. Im Berufsbereich "Bau, Architektur und Gebäudevermessung" befinden sich z.B. die Berufshauptgruppen "Bauplanungs-, Architektur- und Vermessungsberufe", "Hoch- und Tiefbauberufe", "(Innen-)Ausbauberufe" sowie "Gebäude und versorgungstechnische Berufe".

Wir haben insgesamt rund 1.000 offene Antworten auf die Fragen nach Berufserfahrung, Berufswunsch, weiteren Fähigkeiten und der Bereitschaft zum freiwilligen Engagement erfasst. Für die Auswertung der berufsspezifischen Antworten wurde auf die Kategorien der KldB 2010 zurückgegriffen. Die angegebenen Berufe bzw. Berufswünsche wurden in der KldB gesucht und auf den beschriebenen zwei Gliederungsebenen eingeordnet.