Interkulturelle Schulungen als zentrales Reflexionsinstrument

Entsprechende Schulungsangebote helfen dabei, den Öffnungsprozess nachhaltig auf allen Ebenen einer Freiwilligenorganisation zu vollziehen.

Um sich als Freiwilligenorganisation interreligiös/interkulturell zu öffnen, empfiehlt es sich, den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Organisationsmitgliedern eine Schulung im Hinblick auf ihre interkulturellen Kompetenzen zu ermöglichen (vgl. Schumacher&Huth 2013). Selbst wenn die Mitgliederzusammensetzung bereits divers ist, ist eine interkulturelle Schulung eine hilfreiche Unterstützung für die Reflexion des Öffnungsprozesses. So können auch mögliche Konflikte in einem gerahmten Setting zur Sprache gebracht werden. Dieser Reflexionsprozess ist auf drei Ebenen sinnvoll:

Reflexion auf der Mitglieder-Ebene

Erstens können die Mitglieder in derlei Schulungen mögliche Stereotype und Vorurteile bei sich wahrnehmen und aufbrechen sowie ihr eigenes Verhalten in interreligiösen/interkulturellen Begegnungen insgesamt reflektieren. Indem diese Schulungsangebote, v.a. für hauptamtliche und koordinierende Kräfte, verpflichtend sind oder zumindest empfohlen werden, wird eine Auseinandersetzung mit dem Thema auch bei denjenigen wahrscheinlicher, die sich bislang davor verschließen.

Reflexion auf der Team-/Gruppen-Ebene

Zweitens kann die Zusammenarbeit über eine gemeinsam besuchte interkulturelle Team-Schulung reflektiert werden. So können sich beispielsweise das hauptamtliche Team oder Engagementgruppen in ihrer Gruppendynamik in Bezug auf ihre Offenheit gegenüber anderen Religionen und Kulturen intensiv kennenlernen. Dabei können z. B. Fragen in Bezug auf die gemeinsam signalisierte Offenheit geklärt werden, denn es ist wichtig, dass sich Teams und Engagementgruppen darüber klar werden, dass sie sich authentisch integrativ formieren und Zugehörigkeit ermöglichen müssen, damit die interreligiöse/interkulturelle Öffnung gelingt (siehe auch Öffnung ernst meinen).

Reflexion auf der Ebene der Freiwilligenorganisation

Drittens kann die Entscheidung zu einer interreligiösen/interkulturellen Öffnung in einen Organisationsentwicklungsprozess münden, der mithilfe entsprechender interkultureller Schulungen begleitet werden kann. So kann man sich als Organisation z. B. die Fragen stellen, warum diese Öffnung angestrebt wird, welche Veränderungen nötig sind, um sie authentisch in die Organisationskultur zu integrieren oder was mögliche Hindernisse sind, die überwunden werden müssen.

Regelmäßig schulen

Damit Diskriminierungserfahrungen von religiösen und ethnischen Minderheiten vermieden werden können, ist es ratsam, interkulturelle Schulungen nicht nur einmalig sondern regelmäßig zu ermöglichen. So erhalten auch neue Organisationsmitglieder die Chance, diese Angebote zu besuchen und auch Mitglieder, die wiederholt teilnehmen, erweitern ihre bestehenden interkulturellen Kompetenzen.

Schulung durch learning by doing

Eine interessante Form der interkulturellen Schulung sind Veranstaltungen, an denen Teams von Migrantenorganisationen gemeinsam mit Teams von Freiwilligenorganisationen der Mehrheitsgesellschaft an einem bestimmten Thema arbeiten. Auf diese Weise werden unmittelbare interkulturelle Erfahrungen gesammelt, die Hemmschwellen, Unsicherheiten und Missverständnisse abbauen helfen und so die gegenseitige Offenheit fördern.

"Wenn jetzt die großen Institutionen keine Freiwilligen bekommen, keine ehrenamtlichen Muslime, dann müssen sie sich selber auch Gedanken machen, woher kommt das?"

Diese Handlungsempfehlung ist die einzige, auf die nicht direkt von unseren Gesprächspartnerinnen verwiesen wurde. Dementsprechend ist sie eine Schlussfolgerung aus verschiedenen Aussagen und unserem eigenen Hintergrundwissen. Die folgenden Zitate stellen einige dieser Aussagen unserer Gesprächsparterinnen dar:

"Wenn jetzt die großen Institutionen keine Freiwilligen bekommen, keine ehrenamtlichen Muslime, dann müssen sie sich selber auch Gedanken machen, woher kommt das? (...) Was können wir, was sollen wir an unserem Konzept vielleicht auch anders machen, dass auch die Leute kommen oder dass die einfach sich wohlfühlen können und willkommen heißen (...) bei uns." (E1)

"Da gibt es natürlich Konfliktsituationen, weil wenn man auch ähm in einem deutschlastigen Team ist, und da werden Sachen entschieden, die komplett gegen meine weltliche Überzeugung oder religiösen Grundgedanken geht, dann ist man sehr sehr schnell in einem Konflikt. Ähm und dann tut man sich schwer: will ich die Konfrontation und sag pf, das geht nicht. Aber es sind ja auch gesellschaftliche Normen da, und Werte da. Äh man wird dann sehr sehr schnell in eine Schublade gesteckt. Will man das? (...) Also das ist schon heikel." (E5)

Die Diskussion hinter der Handlungsempfehlung

Einige unserer Gesprächpartnerinnen machten uns klar, dass es für eine interreligiöse/interkulturelle Öffnung vor allem wichtig ist, die Unsicherheiten im sozialen Miteinander zu verringern.

Unsicherheiten sind der Hauptgrund für ungewollte Diskriminierung

Diese Unsicherheiten sind der Hauptgrund dafür, warum es zu (ungewollten) Diskriminierungen kommt. Wenn ein Verständnis dafür fehlt, worauf es Angehörigen anderer Kulturen letztlich ankommt, welche Rahmenbedingungen sie brauchen, welche Themen sie zentral setzen, fehlt es schon den ersten Öffnungsschritten an Authentizität.

Unsicherheiten sind aus unserer Sicht letztlich ein Ausdruck fehlender interkultureller Kompetenzen (vgl. Witzel 2020), sei es in Bezug auf das Wissen über andere Religionen/Kulturen oder hinsichtlich der Fähigkeiten und Fertigkeiten, die es für ein konfliktfreies soziales Miteinander braucht. Deshalb gilt es, das große Angebot interkultureller Trainer/innen zu nutzen und als Freiwilligenorganisation in entsprechende Fortbildungen zu investieren.

Eine weitere Möglichkeit, diese Reflexion, diese Kompetenzen, dieses Umdenken zu erreichen, ist ein bewusster Austausch mit Angehörigen der Minderheiten im Zuge einer Vernetzung, sei es mit Moscheegemeinden, mit Kulturvereinen oder, um bei unserer fokussierten Zielgruppe zu bleiben, mit muslimisch geprägten Initiativen. Entscheidend ist eine offene Verständigung, eine gegenseitige Neugier und die Bereitschaft, voneinander zu lernen.