Interkulturelle Teams als Symbol für die interreligiöse Öffnung

Wenn eine Organisation signalisieren möchte, dass sie allen Kulturen gegenüber offen ist, sollte das auch bei der Zusammensetzung von Teams unbedingt berücksichtigt werden.

Diese Handlungsempfehlung ist vermutlich eine der naheliegendsten: Diversität als Kennzeichen einer Organisationskultur sollte von außen betrachtet vor allem daran erkennbar sein, dass die Organisationsmitglieder selbst aus unterschiedlichen Kulturen, Milieus und sozialen Gruppen stammen.

Diversität im eigenen Team und der eigenen Organisation anstreben

Doch für Freiwilligenorganisationen der Mehrheitsgesellschaft ist häufig genau das schwer zu bewerkstelligen, denn wie das alte Sprichwort sagt: Gleich und gleich gesellt sich gern. Hauptamtliche Stellen sind überwiegend von "Biodeutschen" besetzt und wie unser Projekt insgesamt aufzeigt, ist es auch kein Selbstläufer, eine heterogene, diverse Zusammensetzung der Freiwilligen zu erreichen.

Doch das ist kein Grund einfach zu kapitulieren. Stattdessen sollte proaktiv versucht werden, dieser Handlungsempfehlung nachzugehen. Das kann mit entsprechenden Fotos im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit beginnen, die eine größere Diversität repräsentieren. Ebenso können Stellenausschreibungen und Engagementgesuche direkt innerhalb der Communities gestreut werden oder sogar Personen gezielt angesprochen werden.

Es braucht gelebte Vielfalt und role models in der Freiwilligenarbeit

Warum das überhaupt wichtig ist? Für Muslimas beispielsweise können muslimische Ansprechpartner/innen in Beratungs- und Betreuungssettings dabei helfen, eine vertrauensvolle Begegnung auf Augenhöhe zu schaffen. Denn gegenüber Angehörigen der eigenen Community sind aufgrund des geteilten Wissens weniger Erklärungen nötig. Das ist gerade auch deshalb wichtig, weil es häufig die Beziehungsebene ist, die Bindung und Identifikation mit einer Einrichtung und einer ehrenamtlichen Tätigkeit ermöglicht.

Daraus schließen wir: Es braucht in der Freiwilligenarbeit vermehrt interkulturelle, insbesondere hauptamtliche, Teams sowie Koordinierende aus verschiedenen Kulturen als role models, um die Diversität von Einrichtungen darzustellen. Nur so werden interreligiöse und interkulturelle Offenheit authentisch ausgedrückt und zu einem selbstverständlichen Aspekt der Organisationskultur. Denn erst eine gelebte Vielfalt führt dazu, dass kulturelle Unterschiede im Miteinander keine Rolle mehr spielen, sondern schlicht die Zusammenarbeit zwischen Menschen im Vordergrund steht.

"...der einzige Exot zu sein ist halt manchmal schwieriger, als wenn man das Gefühl hat, ach das ist sowieso schon ein diverses Team"

Diese Handlungsempfehlung resultiert aus Äußerungen, in denen sich unsere Gesprächspartnerinnen mehr interne Diversität bei den Freiwilligenorganisationen wünschen. Darin sehen sie großes Potenzial in Bezug auf die Empathie gegenüber Minderheiten, auf die Selbstverständlichkeit und Kompetenz im interkuturellen Umgang und auf die Gewinnung und Betreuung von Freiwilligen aus verschiedenen kulturellen und religiösen Kontexten:

"[Dann] müsste vielleicht das Team oder die, die vorranschreiten, schon eine gewisse Diversität mitbringen von der Aufstellung her, dass ich jetzt nicht das Gefühl hab, ich bin da jetzt der einzige Exot. Also, es muss jetzt gar nicht unbedingt dann muslimisch sein, aber dass ich halt zumindest in der Konstellation merke: ah ok, so, da schwimmen halt viele zusammen (...) und ich finde da jetzt auch meinen Platz da drunter, weil der einzige Exot zu sein ist halt manchmal schwieriger, als wenn man das Gefühl hat, ach das ist sowieso schon ein diverses Team und das wird einfach nochmal ergänzt durch eine muslimische Person. (...) Ich denke das würde auf jeden Fall einen großen Unterschied machen, schon einfach in der Wahrnehmung und  auch so für die verschiedenen, die sich da freiwillig engagieren, dass die dann so das Gefühl haben 'ah ja okay hier ist für Menschen die ähnlich sind wie ich irgendwie Platz'. Aber ob das jetzt wünschenswert ist oder ob das ein Ziel sein sollte, weiß ich eigentlich gar nicht, ob ich jetzt dafür wäre. Also, ich denke, es würde auf jeden Fall (...) den Zweck erfüllen und ist auch schön. Also, ich fände das allgemein schön, wenn (...) nicht nur auf diesem (...) sozialen Sektor, sondern auf allen Ebenen man irgendwie [die Gruppe repräsentiert sieht]. Ich freu mich auch, wenn ich bei H&M eine offensichtliche Muslima arbeiten sehe, weil ich einfach das Gefühl habe, das bildet einfach die Gesellschaft ab, dass hier und da man auch einfach in einer Position jemanden sieht, (...) vom Erscheinungsbild 'oh ok, ja es ist einer gewissen Gruppe zuzuschreiben'. Genauso freue ich mich auch, wenn das ein Sikh ist und der seinen Turban trägt, ja also dass halt einfach so diese gesellschaftliche Diversität irgendwo so auch abgebildet wird. (...) Aber ob ich das jetzt als Strategie verfolgen würde, das man jetzt sagt ja wir als [Wohlfahrtsverband] versuchen [das] jetzt vielleicht? Ich würde mal sagen, in so Brennpunkten oder wo ich so das Gefühl habe, da ist das für meine Arbeit wirklich jetzt so wichtig, dass da so ein Verständnis ist, dass ich dann diese Leute besetze, das ist sinnvoll. (...) Also allein damit das läuft und damit einfach das Angebot überhaupt zielgruppenentsprechend gestaltet werden kann. Aber ob ich das jetzt nur als Strategie machen würde, um andere Musliminnen anzuwerben, weiß ich nicht, weil dann muss man immer so schauen, in welcher Relation das steht. Also wenn ich das Gefühl hab, ja also, hier an der Stelle ist das sinnvoll oder ich stelle sie einfach nur an wegen ihrer Qualifikation, ist [das] auch was anderes, das würde ich auch begrüßen. Aber nur so als Strategie, um jetzt noch andere anzuwerben, weiß ich nicht, also vielleicht muss das ja auch nicht immer überall flächendeckend so sein." (E2)

"Wenn im Team gibt es so keine Muslime, dieses Team kann nicht über Muslime reden."

"Wenn es ist nicht bunt, wie können sie über die andere Leute, zum Beispiel über muslimische Leute oder über ärmere Leute [etwas wissen]? (...) Wenn im Team gibt es so keine Muslime, dieses Team kann nicht über Muslime reden. (...) Und zum Beispiel wenn es nicht gibt so Diversität, (...) dann die können die nicht so Empathie zeigen und (...) wenn es viele solche Vereine oder solche Organisationen gibt, so nicht gemischte, dann die können nicht verstehen die anderen Leute, was die fühlen eigentlich, welche Emotionen die haben und in welche Positionen welche Hindernisse oder welche Herausforderungen solche Leute haben." (E3)

"Ich würde [Diversität im Team] voll begrüßen. Nur machen Sie bitte nicht den Fehler, den wirklich viele viele machen. Was ich als Fehler seh: 'Ich hab eine Türkin. Die wird alle Muslime bedienen.' Ja, vielleicht ist sie Atheistin. Vielleicht hat sie mit diesem Kulturkreis gar nichts am Hut. (...) Also, man muss auch diese, diese Migrationsgeschichte ein bisschen differenzierter bitte anschauen. Weil manche wollen auch die Migration gar nicht im Vordergrund. Die schämen sich. (...) Also man muss da viel sensibler sein. Ich sag ja, ein ein Türke, ein Äthiopier ist nicht gleich interkulturell kompetent. (...) Weil das hab ich schon oft auch erlebt, (...) dass die Zielgruppe dermaßen massiv negativ eine Erfahrung macht. Nur weil man denkt, ein Türke wird doch wohl mit Türken zusammenarbeiten können. Das stimmt so nicht. Also das ist so der zweite Aspekt, wo ich sage, bei aller Diversität, es muss nicht unbedingt X-Beliebiger sein. Da muss man schon auch genau hinschauen, hat die überhaupt das Feeling dafür, die Erfahrung dafür? Wie geht sie mit Interkulturalität selber um? (...) Definiert sie sich selber als Muslimin? Oder definiert sie sich als Deutsche schon? Ist ja auch legitim. Aber dann muss ich aufpassen, (...) dass der Schuss nicht nach hinten los geht. Weil das ist auch oft (...) ein Knackpunkt in solchen Projektarbeiten. Aber ich würde es begrüßen. Ich würde es auf jeden Fall begrüßen. Auf Augenhöhe." (E5)

Die Diskussion hinter der Handlungsempfehlung

Die angeführten Zitate machen die Diskussion bereits deutlich, die wiederum eng verknüpft ist mit unserer ersten Handlungsempfehlung. Denn erst wenn wir selbst ein buntes Team sind, zeigen wir glaubhaft, dass wir Öffnung ernst meinen.

Diversität im Team nicht nur als Köder, sondern als zentrales Ziel

In jedem Fall senden interkulturell gemischte Teams das Signal aus, in Bezug auf Diversität offen zu sein. Wichtig ist zudem insbesondere bei hauptamtlichen Kräften, dass interkulturelle Sensibilität ein entscheidendes Kriterium für deren Auswahl ist. Und dem wiederum geht eine interkulturelle Sensibilität des bestehenden Teams voraus, damit nicht versehentlich eigene verankerte Stereotype oder Vorurteile greifen und damit alle Menschen, die in die Freiwilligenorganisation eintreten, zu allererst als Mensch wahr- und angenommen werden. Dafür ist es elementar wichtig, Diversität im Team nicht nur als Strategie oder Köder einzusetzen, um damit entsprechende Zielgruppen zu locken. Diversität im eigenen Team muss um seiner selbst Willen zu einem der zentralen Ziele ernannt werden, wenn es um eine gelingende interreligiöse/interkulturelle Öffnung geht.